28 März 2006

Wenn Kinder nicht hören

haben sie entweder eine Trotzphase (das gibt sich - irgendwann)
oder einen Paukenerguss. Dann muss der Onkel HNO ran.

Für die Medizin-Laien:
Die Pauke ist der Hohlraum im Ohr auf der Innenseite des Trommelfells.
Erguss heisst, dass sich dieser Hohlraum mit Flüssigkeit gefüllt hat.
Warum und Wie ist eine längere Geschichte.

Schuld sind am Ende jedenfalls wuchernde Polypen
Also müssen die raus.
Per Operation.
An meinem 4jährigen Sohn.
Horror.

Aber wat mutt, dat mutt.
Also Diagnose, Vorgespräch, Blutprobe, Formulare unterschreiben, noch'n Vorgespräch.

Und dann hockt man plötzlich morgens um halb acht in einem Wartezimmer und redet auf das schlaftrunkene und seines Frühstücks beraubte Kind ein, es möge den Betäubungssaft trinken, obwohl er nicht, wie versprochen, nach Himbeere schmeckt, sondern nach Scheiße mit Chili.
Und das Kind trinkt.
Noch eine halbe Folge Biene Maja vom praxiseigenen Videorekorder, und die Augen fallen ihm zu.
Jetzt heisst es stark sein.
Denn natürlich haben Eltern im OP keinen Zutritt. Ist wohl auch besser so.
Also lassen wir unser Fleisch-und-Blut in den Händen des Anästhesisten.
Dann stehen wir vierzig ziemlich lange Minuten bedröppelt auf dem Gang rum.

Vierzig

wirklich

sehr

lange

Minuten.


Keine Tür ist jemals so laut aufgerissen worden wie diese Höllenpforte zum OP.
Wir starren die Schwester an.

"Alles prima gelaufen", flötet sie, "er ist schon im Aufwachraum. Wer von Ihnen möchte mitkommen?"

Und so sitze ich nochmal eine nicht ganz so lange Stunde rum, während meine Holde unserem tapferen Kind beim Aufwachen zuguckt.

Der Saft, der nicht nach Himbeere schmeckt enthielt übrigens ein Betäubungsmittel, das bis zu 6 Stunden anhält und irgendwie mit LSD verwandt ist (Kein Witz, der Anästhesist hat's gesagt!). Wie ein kleiner Matrose bei schwerer See taumelt unser Sproß noch am späten Nachmittag über die Planken des Wohnzimmerparketts.

Dann schläft er eine Nacht.

Und das war's. Happy End mit Sternchen.

Dank, Lob und eine herzlichste Empfehlung für die Tagesklinik in Hoechst. Wiedersehen muss aber trotzdem nicht sein.

PS. Ich wollte noch ein Bild der Polypen posten. Weil das aber sicher nicht jeder sehen will, gibt's nur diesen Link

22 März 2006

jeanne:dark


So heisst ein Stück, das zur Zeit im Frankfurter Kellertheater zu sehen ist.

Mein Fazit, ausnahmsweise gleich vorab: bedingt sehenswert.

Im Einzelnen:
Jeanne:dark montiert Szenen aus der klassischen Johanna von Orleans mit Motiven und Figuren aus dem Film "Girl, interrupted" (deutsch: "Durchgeknallt".
Wieso weshalb warum kann ich nicht sagen, schon weil ich den Film nicht kenne.

Was davon auf die Bühne kommt: Eine Psychiatrie, schön im Kuckusnest-Klischee der 60er gehalten, mit Willkür, Sadismus, Medikation und Elektroschocks, sowie deren Insassinnen, die alle abwechselnd mal die Rolle der Jeanne übernehmen dürfen.
Man (also ich) würde sich wirklich gern für die geknechteten, aufbegehrenden Frauen erwärmen. Aber das geht leider nicht.

Die Inszenierung (also der Regisseur) reduziert sie alle komplett auf ihren jeweiligen Knacks. Lauter Opfer ohne den Hauch einer Chance. Bis auf die Haupt-Jeanne: die wird am Schluss als geheilt entlassen. Ansonsten nimmt das Verhängnis programmgemäss seinen Lauf zum bekannten Ende. Überraschungen: keine.

Dafür sind die Darsteller ohne Ausnahme überaus engagiert bei der Sache, konzentriert, mit Spannung und einigen wirklich sehr schönen szenischen Kabinettstückchen. Das macht den Abend kurzweiliger und entschädigt (ein bisschen) für den endlos sich hinziehenden Schluss.

Besonderer Leckerbissen für Paulchen Panther Fans: auf einem Fernseher laufen die ganze Zeit über Episoden aus der Zeichentrickserie. Wer sich vom Stück nicht zu sehr ablenken lässt, kommt da voll auf seine Kosten.

PS. Noch ein Wort zur Musik: jeder (also gut nicht absolut jeder, aber fast jeder) Szenenwechsel wird mit einem Oldie-Ohrwurm zugesosst. Das ist schon kein Wink mit dem Zaunpfahl mehr, das grenzt an Körperverletzung.